F E R R A S C H A

 

Das Zigeunermädchen Ferrascha
   
Gedankenversunken schaute sie in das Feuer; die lodernden Flammen 
spiegelten sich verschwommen in ihren Augen. Ein Schauer lief ihr über den 
Rücken als der kalte Wind sich in ihrem Haar verfing. Mit zittrigen 
Händen griff sie nach einer Decke und hüllte sich in ihr ein. Ihre Blicke 
begleiteten die kurzlebigen Funken, die das Feuer schlug, bis sie sich 
vor dem Hintergrund der dunklen Nacht auflösten, um immer wieder, wie 
Phönixsterne aus dem Feuer emporzusteigen. Die tänzelnden Feuersterne 
glitten hinein in die Nacht und erhellten für einen Augenblick die 
Finsternis. 
 Noch dunkler als der schwere Mantel dieses kühlen Abends ragte die 
Gebirgskette in den Himmel, die das Tal einschloss, in dem Ferrascha das 
Feuer geschürt hatte. Sie konnte die kalten Lichter erahnen, die die 
Konturen der Bergspitzen säumten und bläulich aus den entfernten 
Behausungen krochen. Die "Frios" hatten weit oben ihre Siedlungen errichtet und 
die gespenstische Lichterkette breitete sich Tag für Tag immer weiter 
aus. Sie nutzte jede Gelegenheit, sich dem kalten Griff dieser Ketten zu 
entziehen und suchte die Einsamkeit, um ihre Sinne zu atmen und ihr 
Herz pochen zu hören. Es roch nach Schnee; sie zog die Decke tiefer ins 
Gesicht und schloss die Augen. Sie dachte an die sonnengefluteten, grünen 
Hügel, auf denen ihre Sippe regelmässig verweilte und sie sah sich dort 
lächelnd an einem Baumstamm sitzen. Sie schaute in die grossen Augen 
der Kinder, die gespannt zuhörten, wenn sie ihnen eine Geschichte 
erzählte oder die Luft in bunte Bälle verwandelte.
 Sie wusste nicht mehr, wie lange sie in ihren Erinnerungen geruht 
hatte, als sie die Augen wieder öffnete, jedoch erschrak sie 
augenblicklich. Ein tiefroter Feuerball ruhte inmitten der gelblich-orangenen 
Flammen, wie ein atmender Rubi. 
   
  Sie erstarrte und doch fühlte sie sich plötzlich seltsam erleichtert. 
Eine wohlige Wärme stieg von der Erde in ihr Herz und als sie ihren 
Kopf vorbeugte, um das seltsame Leuchten genauer zu betrachten, hörte sie 
eine innere Stimme, die ihr zuflüsterte: Steige ins Feuer und du bist 
zuhause! Steige ins Feuer und du bist zuhause........
   
  Die "Frios" konnten sich bald nicht mehr an den Namen des 
Zigeunermädchens erinnern.....denn eines Tages war sie aus ihren Augen und ihrem 
Sinn.
   
  Nur manchmal, wenn der Frühling naht, vernehmen die Kinder der 
Siedlung an sonnigen Tagen ein Seufzen der Erleichterung in den Wipfeln der Bäume, und es ist ihnen als würden sie die kaum leise die Worte vernehmen: Ich bin zuhause!